Otto von Botenlauben wählt für sein
Kreuzzugslied einen Augenblick, in dem der Konflikt zwischen persönlicher
Neigung und ritterlicher Pflicht bereits überwunden ist. Am Kreuzzug
nimmt er teil, um sich und seiner Dame Gottes Lohn zu erwerben. Die Gedanken
an Minne und Gottesdienst stehen bei Otto von Botenlauben gleichwertig
nebeneinander. Die Kreuzzugsidee ist verblasst und hat ihren tieferen Bezug
zur Minne verloren, die Problematik der Kreuznahme vermag nicht mehr zur
Vertiefung der höfischen Minneauffassung beizutragen. Ebenso hat die
Idee des Kreuzzuges ihre Leuchtkraft für den Weg zu Gott verloren.
Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Zeugnisse
der mittelalterlichen Kreuzzugslyrik stammen aus einer Zeit, die zu den
geistesgeschichtlich und literarisch bedeutsamsten des Mittelalters gehört.
In den Jahren 1189 bis 1229 besangen zahlreiche Dichter
den Konflikt zwischen Gottesdienst und Minnedienst. Aber nur dann, wenn
das Minne- und Kreuzzugsthema über die konventionellen Formen hinausgeführt
wird, entschließt sich der Dichter zu einer individuellen Aussage.
Je nach Art seines Charakters, seines Temperaments und seiner Phantasie
wird der innere Zwiespalt von jedem Dichter verschieden erlebt. Ich habe
in den einzelnen Kapiteln die Minnehaltung und Gottestreue eines jeden
Dichters aufgezeigt: die ethischen Auseinandersetzungen bei Hartmann von
Aue, die seelische Harmonie bei Albrecht von Johansdorf, die intellektuelle
Analyse des Streits bei Friedrich von Hausen, die gleichwertige Einstufung
von Gottesdienst und irdischer Frauenminne bei Otto von Botenlauben und
das ausgeglichene Verhältnis von "herze" und "lip" des
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