3.1.1    Übersetzung

Sie darf mich nicht beschuldigen, 
ich hätte sie nicht von Herzen lieb. 
Daher konnte sie mir die Wahrheit ansehen, 
und will sie es bekennen. 
Ich geriet in solch' große Not, 
dass ich den Leuten guten Morgen wünschte, 
obwohl es Abend wurde. 
Ich habe so fest an sie gedacht, 
dass ich bisweilen nichts bemerkte, 
und wenn mich jemand grüßte, dann vernam ich es nicht.

Mein Herz lässt nur schwer von seinem Streit ab, 
den es gegenüber der besten aller Frauen aufrechterhielt, 
der mein Leib immer dienen muss, 
wohin ich auch je fahre. 
Ich bin ihr treu; wenn ich auch Gott diene, 
so denke ich an sie. 
Das wird auch er mir vergeben: 
wenn ich mich ihretwegen versündigt haben sollte, 
wieso schuf er sie dann so hervorragend ?

Mit großen Sorgen hat mein Leib 
die ganze Zeit gerungen. 
Ich hätte Liebe, die mir sehr nah' ginge:
das ließ mich nie 
mit Weisheit meine Gesinnung bekehren. 
Das war die Minne,  die noch manchen 
dasgleiche klagen lässt. 
Nun will ich mich an Gott halten: 
der vermag den Menschen aus der Not zu helfen.
Keiner weiß, wie nah' ihm der Tod ist.

Einer Frau war ich zu Willen, 
die ohne Lohn meinen Dienst nahm. 
Von der sagte ich nichts, wenn alles gut wäre, 
wenn ihre Gesinnung 
mir gegenüber freigiebig gewesen wäre. 
Von all' der Not wollte ich befreit sein, 
als ich mein Herz auf Gnade an sie hingab, 
die ich da leider nicht gefunden habe. 
Nun will ich dem dienen, der (auch) lohnen kann.

Ich geriet durch die Minne in große Bedrängnis, 
obwohl ich doch so selten Freude an ihr hatte. 
Welchen Schaden ich auch immer daran genommen habe, 
so verlange niemand, 
dass ich von ihr etwas Gutes sage, 
was mein Mund von Frauen nie mehr tut. 
Doch beklage ich,
dass ich so lange Gott vergaß: 
den will ich nunmehr allem voranstellen 
und ihn dann in einem treuen Herzen tragen.

Interpretation