Minnesang und Kreuzzugslied
1. Die Entwicklung des deutschen Minnesangs
(Ursprung, Höhepunkt, Verfall)
Überschaut man die Lyrik des Mittelalters, so lassen
sich im wesentlichen vier große Gruppen von Dichtungen unterscheiden:
die religiöse und geistliche Dichtung, die volksliedhafte Dichtung,
die Vagantenpoesie (Carmina burana) und die ritterliche Lyrik als streng
abgegrenzte Standeslyrik. Die ritterliche Dichtung besteht vor allem aus
einer großen Gruppe: dem Minnesang. Obwohl sich die höfische
Form des Minnesangs zuerst in der Provence entwickelt, scheinen die Wurzeln
dieser Kunst viel weiter zurückzureichen: nach Spanien, in die lateinische
Lyrik und in die Antike (vor allem zur "Ars amandi" des Ovid). Zur
Entstehungsgeschichte des Minnesangs gibt es verschiedene, zum Teil kontroverse
Thesen. Schneider nennt Spanien als Ursprungsland des Minnesangs.
Im arabischen Spanien habe es schon Jahrhunderte vor dem französischen
Minnesang panegyrische Huldigungen aus Vasallenmund an fürstliche
Frauen gegeben. Zu ihnen, wie zum Herrn, habe der Sänger sich in ein
Abhängigkeitsverhältnis begeben. Es wurde die Macht und Milde
des Herrn und die Schönheit und Güte der Frau besungen. Die Huldigung
der Frau habe dabei von selbst einen minniglichen Anstrich erhalten.2"
stellt den Einfluss Ovids außer Frage. Schon in der zweiten Hälfte
des 11. Jahrhunderts sei Ovid in die Lehrpläne der mittelalterlichen
Schulen aufgenommen worden, und die Anregungen der "Ars amandi", "Herodien",
der "Metamorphosen" und der "Fasten" auf die Werke des 12. und 13. Jahrhunderts
sei so offenbar, dass der gesamte Zeitraum als "aetas Ovidiana" bezeichnet
worden ist. Ovid schildert in den genannten Werken die Wirkung
der Liebe in Bildern, wie sie in auffallender Ähnlichkeit in den Liedern
der provencalischen Minnesänger und, in Anlehnung an diese, auch bei
Friedrich von Hausen zu finden sind.
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1. H. Schneider, a.a.O., S. 372 f.
2. H. Wenzel, a.a.O. , S. 77 ff.