Durch die "minne" stellt sich der Ritter in den
Dienst der höfischen Dame. Bei aller Jagd- und Kampfesfreude huldigt
er einem zarten, weiblichen Schönheitsideal.
Schon der Marienkult1 hat eine neue Einstellung
zur Frau bewirkt, doch nun steht die verheiratete Frau als Bewahrerin feiner
Sitte im Mittelpunkt der höfischen Gesellschaft. Sie ist im 12. und
13. Jahrhundert die Repräsentantin der gültigen Moral. Die Erziehung
in der patriarchalischen Gesellschaft des Mittelalters garantiert, dass
die "frouwe" nachdrücklich zur Sittlichkeit angehalten und ihr
in den gehobenen Ständen eine sorgfältige religiöse Ausbildung
zuteil wird.
Die adeligen Töchter werden gewöhnlich von
Nonnen oder Geistlichen erzogen und in der christlichen Lehre unterwiesen.
Karitative Tätigkeit, christliche Erbauung durch Lesen, Beten und
Singen werden als gottgefälliges Verhalten hervorgehoben.
Wer sich vor den Frauen auszuzeichnen sucht, erreicht
dies durch die Übernahme bestimmter Aufgaben oder durch den Nachweis
von Wertkrite-
rien und Qualitäten, die für die Anerkennung
in der Gesellschaft erforderlich sind. Über ihre Rolle als Gattin,
Mutter, Schwester oder Herrin hinaus gewinnt sie als Repräsentantin
der feinen Sitte und Moral an Vorbildlichkeit, die durch die Lehren der
Kirche unterstützt wird.2
Die Erziehung des Ritters dagegen zielt primär auf
die körperliche und militärische Ertüchtigung. Bis zum siebten
Lebensjahr bleibt der Knabe in der Obhut der Frauen. Anschließend
wird er entweder allein oder mit einigen Altersgenossen von einem Zuchtmeister
zu körperlichen Übungen angehalten; gewöhnlich wird er auch
in Dicht- und Sangeskunst, selten in den Grundbegriffen der Wissenschaften
unterrichtet.
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1. Zum Marienkult des Mittelalters siehe:
H. Ingebrand, Interpretationen z. Kreuzzugslyrik.
Diss., Frankfurt/M. 1966. S.119 - 131.
2. Zur Rolle der Frau im Mittelalter siehe:
S. de Beauvoir, Das andere Geschlecht.
Hamburg 1956.
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