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Die schönsten deutschen
Heimatsagen
Die Entstehung der Bergwerke
zu Rammelsberg
In alter Zeit herrschte auf dem Brocken die Zauberjette. Elf jungen
Mädchen oblag die Pflicht, sie zu bedienen.
Einst waren zwei Ritter auf dem Brocken vom Weg abgekommen. Der eine
von ihnen hieß Otto, der andere Ramme. Schon mehrere Tage waren sie
umhergeirrt, aber sie fanden keinen Ausweg aus der Wildnis. Plötzlich
stürzten mitten im Wald mehrere Männer auf sie zu. Es waren Räuber,
die sich auf der Flucht vor ihren Verfolgern nach dem Brocken durchgeschlagen
hatten. An diese Bande mußten die Ritter sich anschließen,
wenn sie in dem wilden Gebiet ihr Leben erhalten wollten. Alle versprachen
einander, sich gegenseitig zu helfen.
Zunächst galt es, eine Unterkunft zu suchen. Deshalb gruben sie
in den steinigen Boden eine Höhle. Was sie aber am ersten Tag gearbeitet
hatten, war tags darauf zusammengefallen. Die Männer konnten nicht
begreifen, wieso das geschehen war.
Am zweiten Tag arbeiteten sie trotzdem an der Höhle weiter. Aber
diesmal stellten sie zwei Räuber als Wache davor. Aber alles, was
sie unter Tags gebaut hatten, war am nächsten Morgen wieder auseinandergerissen.
In der dritten Nacht wachten die beiden Ritter mit dem Räuberhauptmann
zusammen. Gegen Mitternacht sah der ältere der beiden Ritter, Ramme,
elf Mädchen daherkommen. Jede von ihnen hatte einen kleinen Hammer
und klopfte damit an den Pfeiler, den die Räuber als Stütze der
Höhle gebaut hatten. Darauf floß alles auseinander wie Wasser.
Ritter Ramme aber zog sein Schwert, packte eines der Mädchen und fragte
sie, warum sie ihre Arbeit vernichte. Aber niemand antwortete; auch auf
die zweite Frage blieb es still. Erst als der Ritter zum drittenmal fragte,
entgegnete das Mädchen, es könne ihm den Grund nicht angeben,
er solle es zur Herrin des Berges begleiten, dort werde er Weiteres erfahren.
Beide Ritter folgten nun dem Mädchen. Sie wurden in eine große
steinerne Höhle an der Nordwestseite des Brockens geführt. Die
Höhle war groß und schön wie ein fürstliches Schloß.
Drin trafen sie die Zauberjette. Auf die Frage der Ritter, warum sie Befehl
zur Vernichtung ihrer Arbeit gebe, erhielten sie den Bescheid, auf dem
Brocken sei der Bereich der Zauberjette, und sie wolle allein im Berge
herrschen. Wollten die Ritter in ihren Dienst treten, so sei sie mit deren
Bleiben einverstanden; sie werde dann auch die Räuberbande dulden.
Die Ritter entschlossen sich, bei der Zauberin zu bleiben.
Nach einiger Zeit machten die beiden Ritter eine merkwürdige Beobachtung:
die Macht der Zauberin wurde täglich schwächer. Sie war nämlich,
bevor sie die Dienste der Ritter angenommen hatte, jede Nacht um zwölf
Uhr zum Wolfsbrunnen geeilt, der unten am Brocken liegt, und hatte dort
drei Handvoll Wasser getrunken. Daher rührte ihre Zauberkraft. Dies
hatte sie aber, seit die Ritter bei ihr waren, versäumt. Deshalb nahm
ihre Kraft fortwährend ab.
Als die Zauberjette merkte, daß sie dem Tode nahe sei, zeigte
sie den Rittern all ihre Schätze. Fünf ihrer Dienerinnen ließ
sie frei. Dann holte sie eine Flasche und einen goldenen Becher, um noch
einmal auf das Wohl der Ritter zu trinken. Während der Ritter Ramme
gerade zum Trinken ansetzte, trat aus dem Hintergrund der Höhle ein
alter Mann hervor und rief: "O du alte Zauberjette, nun sind die zwölf
Jahre um, für die du mich in den Schlaf gezaubert hast." Der Ritter
Ramme ließ vor Schrecken den Becher zu Boden fallen: in dem alten
Mann erkannte er seinen Vater. Dieser sagte zu ihm: "Ich bin dein Retter,
mein Sohn; denn was du hättest trinken sollen, ist das übelste
Gift."
Darauf zog der Sohn sein Schwert und schlug der Zauberjette den Kopf
ab. Ein furchtbares Krachen im Berge entstand. Der schwarze Hund, der eben
noch in der Höhle gekauert war, winselte auf und zog sich zurück.
Nun kamen auch die Räuber angesprungen. Da verwandelte sich der Hund
in einen alten Mann, der aufatmend jubelte: "Gott sei gelobt! Das bedeutet
für mich die Erlösung, ich habe jetzt nichts mehr zu bewachen,
alles ringsum gehört nun euch."
Auch heute noch sind die Goslaer Bergwerke tätig, die Schätze
der Zauberjette zu heben.
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