4. Gottesdienst und Minnedienst
in den Kreuzzugsliedern Friedrichs von Hausen
Fasst man die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Gesamtinterpretationen
der Kreuzzugslieder Friedrichs von Hausen zusammen, so ergibt sich für
die Bedeutung und Funktion von Gottesdienst und Minnedienst folgender Befund
:
Im Augenblick der Kreuznahme wird dem Ritter die Unvereinbarkeit
von Gottesdienst und Minnedienst in aller Schwere deutlich, Friedrich von
Hausen stellt den inneren Zwiespalt, in den der Ritter gerät, als
einen Streit der beiden Organe "herze" und "lip" dar.
Der Antagonismus von Leib und Seele ist in der mittelalterlichen
Literatur ein sehr beliebtes Motiv. Normalerweise stellt der Leib die Verkörperung
des Diesseitsgerichte-ten dar, und es ist in der Regel der Leib, der das
Heil der Seele in Gefahr bringt.
Auffällig bei Friedrich von Hausen ist allerdings,
dass bei ihm der Leib das Organ gottgefälligen Strebens ist, er ist
das zu ritterlicher Tat bereite Ich des Dichters. Das Herz dagegen ist
das widerstrebende Element, das in den Beziehungen zur diesseitigen Welt
verharrt. Der Leib will der Pflicht, an dem verdienstvollen Unternehmen
des Kreuzzuges teilzunehmen, getreulich nachkommen, während das Herz
seinen Sonderwillen hat und sich völlig autonom gebärdet.
Der Dichter stellt in dem Lied MF 47,9, das zweifellos
im Mittelpunkt dieses Dualismus steht, den inneren Zwiespalt als einen
Streit dieser beiden Organe dar. Das Herz will weiterhin der Herrin dienen,
der Leib vertritt die Argumente, die zum Kreuzzug aufrufen. Tatsächlich
werden jedoch vier Parteien in diesen dialektischen Streit verwickelt:
die eigentlichen Kontrahenten, "herze" und "lip", dann das Publikum, vor
dem der Streit ausgetragen wird, und schließlich der Sprecher, der
dem Publikum den Fall schildert und vor ihm Anklage gegen das Herz erhebt.