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Ergebnisse und Bedeutung Goethes botanischer Studien
Erst seitdem die Biologie über das Stadium der Pflanzenbe-nennung
und Klassifizierung hinaus gelangt ist, weiß man den Wert der Entdeckung
Goethes von der Pflanzenmetamorphose zu schätzen. So wird J.W.v.Goethe
heute im großen Lexikon der Biologie genannt als „vergleichender
Morphologe, der die Herausbildung einzelner Formmerkmale /.../ verfolgte".
Sein Verdienst, heißt es hier, liegt in der Betonung der morphologischen
Ähnlichkeiten, die in der Folgezeit zur Überbetonung der Form
führte, welche als Urtyp oder Urform ideell gefaßt wurde.
Die Idee von den Metamorphosen war damals in den Wissenschaften
weit verbreitet (*10)
und Goethe hat den Gedanken wohl von Linné übernommen. Bei
den Pflanzen hatte Linné wohl eine Menge von Organen unterschieden
und mit besonderen Namen bezeichnet. Goethe aber faßte alle Pflanzenteile,
mit Ausnahme der Wurzeln und des Stengels, also alle Seitenorgane, als
sukzessive Umwandlungen eines Grundorgans auf, das er „Blatt" nennt ; hier
liege, sagt er, der „wahre Proteus" verborgen.
Goethe war somit der erste, der die Idee von der Metamorphose auf
die Pflanzen übertragen und hier gesetzmäßige Umwandlungen
nachgewiesen hat :
1. die Metamorphose des Blattes von den Keimblättern bis
hin zu den voll entwickelten Assimilationsblättern;
2. die Metamorphose als Ursache der Umwandlung von Laubblättern
in Kelch-, Blüten-, Staub- und Früchtblätter;
3. die Metamorphose als Ursache für das Vorhandensein
verschiedener Pflanzenarten .
Ordo steht hier in Bezug zu origo.
Goethe hat hiermit den Weg gebahnt für neue Gedankenmo-delle
und Lehren, wie Lamarck und Darwin sie nach ihm vorgelegt haben. Das Bild
von der gottgegebenen Vielfalt der Individuen, wie sie von Anbegirm der
Zeiten vorhanden sein sollten, war nicht Iänger haltbar. Die Vorstellung
einer allgemeinen Höherentwicklung im Sinn von Anpassung (Lamarck)
und natürlicher Zuchtauswahl
(Ch. Darwin) setzten sich durch.
Goethe hat auch versucht, eine Erklärung für die jeweili-gen
Umbildungen zu geben :
„Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die
Gefäße,
Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an."
Doch seine „Säftelehre" gilt nach den Erkenntnissen der modernen
Biologie a1s überholt. Immerhin sehen wir, daß es nicht gerechtfertigt
ist, Goethe aussehließlich als „Morphologen" zu bezeiehen. Die Morphologie
ist die Lehre von der äußeren Gestalt, dem Aufbau der Organismen
und der Lagebeziehung ihrer Organe.
Goethe betätigt sich zwar morphologisch, indem er die verschiedenen
Darwin selbst hat Goethe als einen „Wegbereiter" bezeichnet, und Ernst
Häckel ist so weit gegangen, Goethes Idee als gleichbedeutend mit
der Deszendenztheorie aufzufassen.
Der Streit darüber ist immer wieder entstanden, es ist je-doch
nie zu einer Entscheidung gekommen, die alle Parteien hätten akzeptieren
können. Man hat aber eingesehen, daß es nicht so einfach ist,
Goethe in die Ahnenreihe der Darwinisten aufzunehemen, denn ursprünglich
treibt Goethe nicht Naturgeschichte, sondern Phänomenologie der Naturformen.
Pflanzengestalten miteinander vergleicht und Unterschiede feststellt,
er geht aber über den Bereich der Morphlogie hinaus, wenn er naeh
einer Erklärung für die Verschiedenartigkeit der Pflanzen sucht.
Endlich begibt er sich vollends auf das Gebiet der Physiologie,
indem er von einer „Metamorphose der Pflanzen" spricht, denn die Morphä
sind das Ergebnis der Metamorphose, die Physiologie aber ist die eigentliche
Ursache !
Immerhin kommnt der bedeutende Botaniker Adolf Hansen zu dem Ergebnis,
daß Goethes Lehre von der Metamorphose der Pflanzen dazu geführt
habe, die Organbildung im Pflanzenreich richtig aufzufassen und daß
sie bis zur Gegenwart hin als die einzig haltbare Lehre auf diesem Gebiet
sich bewährt habe .
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