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Die Entstehungsgeschichte des Gedichts
Die Elegie „Die Metamorphose der Pflanzen" entstand am 17. und 18.
Juni 1798. Zum erstenmal gedruckt wurde sie in Schillers „Musenalmanach"
für das Jahr 1799. Danach erschien sie 1800 in den von Unger verlegten
„Neuen Schriften", Band 7 , zwischen „Amyntas" und der Elegie „Herrmann
und Dorothea" zusammen mit sechs anderen Gedichten als Gruppe der „Elegien
II".
Als Goethe 1817 seine Prosaabhandlung „Versuch die Metamorphose
der Pflanzen zu erklären" (von 1790) noch einmal in seinen Heften
„Zur Morphologie" abdrucken ließ, fügte er in diese neben autobiographischen
Erklärungen auch den Text der Elegie ein. Später hat Goethe einen
Teil seiner Gedichte neu zusammengestellt, als er für den dritten
Band der „Ausgabe letzter Hand", der 1827 erschien, die Gruppe „Gott und
Welt" schuf. Diese umfaßt die meisten weltanschaulichen Gedichte
des Alters und einige seiner naturwissenschaftlichen Gedichte aus der Zeit
um 1800 . Auch die Pflanzenelegie wurde nun aus dem Zusammenhang der „Elegien
II" herausgelöst und in die Gruppe „Gott und Welt" übernommen.
„Die Gruppe beginnt mit „Prooemion" (S.357)
und „Was wär ein Gott..." (S.357) und bringt dann
weiterhin „Wiederfinden" (wiederholt aus dem Divan, Bd.2, S.83 f.), „Weltseele"
(S.248), „Dauer im Wechsel" (S.247) , „Eins und Alles" (S.368)
, „Parabase" (S.358), „Die Metamorphose der Pflan-zen" (S.199),
„Epirrhema" (S.358), „Metamorphose der Tiere" (S.201), „Antepirrhema"
(S.358), „Urworte, orphisch" (S.359), die „Howard-Trilogie"
(S.349ff.), „Allerdings" (S.359) und ein paar
weniger bedeutende Gedichte, die anderswo nicht untergebracht werden
konnten."
(Aus: „Die weltanschaulichen Gedichte",
E.TRUNZ, Hamburger Ausgabe., Bd. 1, S.669)
Goethe hat hiermit ein Ordnungsprinzip zugunsten eines besseren aufgegeben.
Waren seine Elegien bisher unter rein formalem Gesichtspunkt zusammengefaßt,
so fügte er nun die Pflanzenelegie in eine thematisch adäquate
Umgebung ein .
Goethe befaßte sich seit seinen ersten Weimarer Jahren mit
der Botanik. Die Geschichte dieser Bemühungen hat er selbst erzählt
in dem Aufsatz „Geschichte meiner botanischen Studien" (Bd. 13, S.
148 - 168) . Nach seinen Worten war es ein beglückender Gewinn, die
Stuben- und Stadtluft mit Land , Wald- und Gartenatmosphäre zu vertauschen
.
Er machte praktische Erfahrungen bei der Verwaltung der Thüringer
Wälder; gleichzeitig studierte er Linnés Schriften, die „Philosophia
botanica" und das „System der Pflanzen" . Zu der Zeit war Christiane Vulpius
bis zu ihrem Tode am 6. Juni 1816 „Goethes tüchtige Gartengefährtin,
die seinen botanischen Liebhabereien zu Hilfe kam, die Pflanzen pflegte
und sich von Herzen freuen konnte über Sohönheit und Reichtum
der Gartenwelt" (*1).
Über die Linnésche Art der systematisierenden Botanik
war die zeitgenössische Forschung kaum fortgeschritten. Was noch zu
leisten blieb, war eine Ordnung unter dem Gesichtspunkt der Verwandtschaften.
Goethes Bemühen zielte nun darauf hin, „dasjenige zu finden,
was allen Pflanzen ohne Unterschied gemein wäre" , und so entdeckte
er das Gesetz von der Metamorphose der Pflanzen.
Nach jahrelangen Vorarbeiten erschien 1790 die Prosaabhandlung
„Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären", die Elegie entstand
acht Jahre später.
Die Einsichten, die Goethe in diesem großartigen Naturgedicht
darstellen wollte, waren Einsichten in die göttliche Weltord-nung.
Darum ist das Gedicht durchzogen von Wendungen wie „heiliges Rätsel",
„geweihter Altar", „ewige Kräfte" und „der Göttin
heilige Lettern".
Die Haltung des Menschen vor dieser Ordnung ist bezeichnet durch
die Worte „verwirren" , „staunen" und „sich freuen" . Das Gedicht
offenbart eine innere Haltung, die der Dichter hat und die er anderen mitgeben
will.
Hierin sieht Trunz den Grund, warum Goethe von der naturwissenschaftlichen
Prosa zur Dichtung überging: Sie ist das Mittel, diese Haltung
zu gestalten .
In der antiken Lyrik war die Versform der Distichen Kennzeichen der
elegischen Gattung. Als Goethe sein Lehrgedicht „Die Metamorphose
der Pflanzen" schrieb, benutzte er auch hier wie in den „Römischen
Elegien" und wie in „Alexis und Dora" , „Euphrosyne"
und „Amyntas" das elegische Versmaß. Damit reihte er das Pflanzengedicht
in die Gruppe seiner klassischen Elegien ein .
Was aber die „Metamorphose der Pflanzen" von den anderen großen
Elegien grundsätzlich unterscheidet, ist die Art ihres Gegenstands.
Dort handelt es sich, wie Goethe selbst sagt, um „zärtliche und leidenschaftliche
Poesien", es geht um Themen wie Liebe, Abschied und Tod. Hier hingegen
wird eine Naturlehre dargestellt, ein gedanklich und terminologisch
klar umrissenes Forschungsergebnis.
Goethe selbst hat im Jahre 1817 im ersten Heft zur Naturwis-senschaft
das Gedicht ausdrücklich als „Elegie" bezeichnet. Er weist jedoch
darauf hin, daß diese Elegie in ihrer Haltung und Tönung von
der zärtlichen Leidenschaft etwa der „Euphrospne" oder des „Amyntas"
sich haltungsmäßig unterscheidet. Denn in diesem Gedicht ist
nicht, wie in jenen anderen Elegien, seelische Erschütterung unmittelbar
Gestalt geworden.
Stattdessen muß man dem distichen Versmaß gerade in
diesem Metamorphosegedicht eine bezeichnende Funktion zuschreiben. Die
ständige Wiederkehr des metrischen Silbenfalles ist gleichsam das
beharrende, immer gleiche Grundorgan des Ge-dichts, so wie an der Pflanze
das Blatt als einheitliches Grundorgan durch den gesamten Wachstumsvorgang
mit seinen wechselnden Phasen hindurchgeht. Wie das Versmaß mit sei-nem
Wechsel von Hexameter und Pentameter dem thematisierten Prinzip von Diastole
und Systole der Pflanzengenese entspricht und dadurch die gegenständliche
Aussage objektiviert, so bringen die Distichen auch die Einheit von Darstellungsweise
und Darstellungsabsicht zur Anschauung : Polarität und Steigerung,
beides Grundgesetze der Natur, werden im Schlußteil der Elegie auf
Tiere und Menschen ausgedehnt. So fällt aueh der Mensch mit seiner
innersten Regung , der Liebe, unter dieses natürliche Gesetz der Metamorphose.
Die Steigerung Bekanntschaft - Freundschaft - Liebe
entspricht auch hier einer natürlichen Entwicklung, indem sie langsam
aufbaut und sich Stufe für Stufe weiterentwickelt .
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